Ein halber Mensch

Ein halber Mensch

Ich habe immer über den Spruch geschmunzelt, dass Menschen am Ende des Lebens nicht bereuen WAS sie getan haben, sondern was sie NICHT getan haben. Ich dachte immer: Sowas passiert mir sicherlich nicht!
Jetzt bin ich froh, dass ich diese Erfahrung zu einem Zeitpunkt machen konnte, an dem ich noch die Möglichkeit zum Nachholen habe. Daher ist heute für mich ein FEIER-Tag.

Die Geschichte von meinem Projekt

Vor einem Jahr als die Sendung „The voice of Germany“ ausgestrahlt wurde, fasste ich einen Entschluss: da machst du mit!.
Für mich war das eine Entscheidung, die weniger etwas mit meiner Leidenschaft für das Singen zu tun hat, als mit dem selbsttherapeutischen Hintergrund, den ich mir davon versprach.

Ich liebe Musik und ich singe seit ich denken kann und ich liebe es. Die Zeit vergeht wie im Flug, ich könnte mich laufend mit Musik hören, Musik machen oder Texten beschäftigen- also genau das, was viele Menschen immer unter „Passion“ verstehen.

Genau das macht diesen Bereich aber auch so fragil und zu meiner „Achillesferse“.

Bis vor einigen Jahren habe ich mich nicht getraut überhaupt vor Menschen zu singen. Meine Gesangslehrer waren die einzigen, vor denen ich mich traute mein Innerstes nach außen zu kehren, weil singen genau das für mich war: Ich – ganz nackt.

Das bedeutet vielleicht nicht, dass ich eine besonders gute Sängerin bin oder mich für eine solche halte, aber das bedeutet, dass ich dabei das Gefühl habe, mich in meiner ganzen Form zu zeigen, ohne Mauern, ohne Abwehr ohne Schutz und dadurch das Gefühl habe besonders verletzlich zu sein.

Achillesferse – Gesang und Selbständigkeit

Seit ich mich selbständig gemacht habe und auch beruflich tue was mich bewegt, was mich berührt und was mir wirklich wichtig ist, habe ich auch hierbei häufig das Gefühl angreifbarer zu sein, als ich das bis dato gewohnt war.

Wie kann das sein?

Naja, wenn ich für jemanden Arbeit, oder einen JOB mache um mein Einkommen damit zu verdienen und dann für diese Arbeit kritisiert werde, dann kann ich das von mir und meiner Person abtrennen. Wenn ich jedoch viel von mir, dem was mir wichtig ist und was mich ausmacht in meine Arbeit stecke und damit auf Menschen zugehe die Kritik üben (könnten), dann fühlt sich das so an, als ob man mich direkt in meiner Seele trifft, mich als Person und ganz persönlich kritisiert und „scheiße“ findet.

Plötzlich bin ich völlig schwach, kritikanfällig und nicht mehr fähig diese Kritik gewinnbringend für mich zu nutzen und daraus zu lernen und mich (und meine Arbeit) zu verbessern.

Natürlich musste ich lernen mit Kritik anders umzugehen, diese nicht auf meine komplette Person zu beziehen, sondern wirklich hinzuhören und die Kritikpunkte gesondert von mir als Mensch zu betrachten.

Mittlerweile gelingt mir das in vielen Bereich problemlos, in anderen schon ganz gut und an einigen Bereichen arbeite ich noch. Doch ich bemerke, dass ich mich an einigen Stellen erst gar nicht in die Situation begebe, in denen ich ein Feedback erhalten könnte, das mich wirklich treffen könnte, das ich nicht kontrollieren kann, das ich nicht verbessern, steuern oder umkehren kann, wenn es mir nicht passt. Das blockiert mich in meiner persönlichen Entwicklung und macht mich in einigen Situationen zu einem halben Menschen.

Das Leben beginnt außerhalb der Komfortzone

Wie häufig habe ich gehört: „Das Leben beginnt außerhalb der Komfortzone“ und da ich meine Komfortzone über die Jahre schon sehr weitläufig gestaltet hatte, (dank meines Umfelds und meiner großen Klappe) habe ich mir in einigen Bereich die letzten Jahre und Monate erfolgreich in die Tasche gelogen: „ich habe kein Problem meine Komfortzone zu verlassen. Ich reise in die entlegensten Orte, kann das auch als Frau ganz alleine, ich weiß zwar nicht warum man Fallschirmspringen muss, aber wenn es beweist dass ich meine Komfortzone verlasse, dann tue ich das eben auch.“

Zeit für Ehrlichkeit mit mir

Als ich mir in einer besonders ehrlichen Minute die Frage stelle wovor ich wirklich Angst habe oder was mir wirklich Angst machen würde, wobei ich aber immens wachsen könnte, wenn ich diese Angst überwinde kam mir der Gedanke: Zu mir stehen und leben was und wer ich bin.

An einer CastingShow teilzunehmen, die im Fernsehen übertragen wird, deren Formatform schon im Vorfeld kritisiert wird, bei der die Teilnehmer schon in die unmöglichsten Schubladen gesteckt werden, ohne dass die Kritiker auch nur ein Wort mit ihnen gewechselt haben, schien mir die beste Komfortzonenübung für mich – ganz ohne Rückfahrschein.

Und dann habe ich mich doch nicht getraut

Ich habe meinen Freunden davon erzählt – auch schon um mir Unterstützung zu holen und mir tatsächlich den für mich nötigen Mut zusammenzusammeln. Und dann gingen die Stimmen in mir los …

…. die sagen das doch nur so, damit ich da mitmachen soll, damit sie eine Lachnummer haben.

…. was, wenn ich da tatsächlich weiter komme, will ich überhaupt Sängerin sein? Was wenn ich dafür jemandem seinen wirklich tiefen Traum verbaue nur weil ich einen auf Selbstexperiment mache?

… was, wenn mich alle wirklich doof finden, ich was doofes sage? Wie schnell vergessen Menschen? Wie wirkt sich das auf mein Wohlbefinden, mein Leben, meine Einstellung zu mir aus?

… was antworte ich auf welche Fragen? Ist ehrlich zu sein wirklich clever?

Um nur einen Ausschnitt meiner monatelangen inneren Dialoge zu beschreiben. Ich schaute zwischendurch auf die offizielle Seite um die Audition-Termine zu erfahren und speicherte im Kopf Juli als Enddatum ab. Nach vielem hin und her beschloss dann: JETZT MACH ICH’S einfach. Also Web an, Seite auf, Anmeldung: „klick“ …. letzte Möglichkeit vor 2 Wochen abgelaufen….

… die Chance daraus

Im Grunde braucht es keine Show, die mich einfach in eine Situation stürzt – ich kann das auch alleine, auch wenn das wesentlich anstrengender ist, weil ich mich jedes Mal dazu überwinden muss mich Situationen auszusetzen, die für mich mit Angst oder Unwohlsein verbunden sind.

Dennoch fühle ich mich, als ob ich eine Chance verpasst habe, nur weil ich ein kleiner Schisser war. Das ist ein Gefühl, das ich bisher noch nicht kannte.

Ich habe bis dato noch immer, trotz aller Sorgen und Ängste, durchgezogen, was ich wollte und jetzt zu erfahren, dass ich mir selbst am aller meisten schaden kann, indem ich mich von meinen inneren Dialogen bremsen lasse lässt alle Kritiker dieser Welt und die Angst vor Ihnen verblassen:

Nie wieder ein halber Mensch – 100% ich, ab jetzt! IMMER ! ! !

Diese verpasste Gelegenheit hat es zu dieser Erkenntnis gebraucht.

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